II. Offizielle Gründung

lm Jahre 1897 schritt man endlich zur offiziellen Gründung einer „Freiwilligen Feuerwehr Gürzenich". Sie fand statt unter Leitung des Bürgermeisters Hahn in der Gaststätte Schütz. Zu den Gründungsmitgliedern gehören nach einer 1978 rekonstruierten Urkunde:

 

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Peter Stüttgen, Stukkateurmeister
Wilhelm Schmitz, Landwirt
Christian Welsch, Werkmeister
Wilhelm Watteler, Landwirt
Matthias Berger, Händler
Peter Zander, Werkmeister
Franz Hilgers, Schreiner
Peter Wickeler, Dachdecker
Adam Franken, Werkarbeiter
Peter Refisch, Gemeindearbeiter
Jean Schütz, Schmiedemeister

Zum 1. Brandmeister wurde Wilhelm Schmitz gewählt, II. Brandmeister wurde, Christian Welsch. Er blieb in diesem Amt bis 1912, während Schmitz schon 1900 von Peter Stüttgen abgelöst wurde, der bis 1929 an der Spitze der Wehr stand. 1925 erhielt er für 25jährige Tätigkeit als 1. Brandmeister einen Orden verliehen.

Nun konnte das Feuerlöschwesen in Gürzenich in geordneten Bahnen verlaufen. Das äußert sich auch darin, dass im Jahre 1901 „die freiwilligen Feuerwehren zu ... Gürzenich ... seitens des Herrn Regierungspräsidenten zu Aachen als den behördlichen Anforderungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Bezirks-Polizeiverordnung vom 26. März 1900 ... genügend erklärt" wurden.

Nur wenige Jahre nach der Gründung hatte die Freiwillige Feuerwehr eine solche Größenordnung und Stellung erreicht, dass sie auch im gesellschaftlichen Leben Gürzenichs eine Rolle spielen konnte. Am Neujahrstag 1903 veranstaltete sie „im Saale des Herrn Fuchs ihr diesjähriges Winterfest". Aus dieser Formulierung könnte man schließen, dass es nicht das erste dieser Art war.

 

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Die 1978 nach alten Unterlagen hergestellte Urkunde, die die Namen der Gründer aufführt


Ein Zeitungsbericht vom folgenden Tag vermittelt ein wenig von der Stimmung eines solchen Festes: „Gürzenich, 2. Jan. Die von der freies. Feuerwehr gestern Abend im Fuchs'schen Saale veranstaltete Festlichkeit hatte, sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen. Sie wurde durch den Branddirektor Herrn Schmitz mit einer Ansprache eröffnet, welche in einem Hoch auf Se. Majestät unsern Kaiser gipfelte. Aus dem Programm sind besonders die mit vielem Geschick unter Leitung des Hauptmannes der Wehr Herrn Welsch gestellten lebenden Bilder zu erwähnen. Auch ein flott gespielter Einakter fand lebhaften Beifall. Ein Ballkränzchen bildete den Schluss."

 

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Ganz offensichtlich erlebte die Freiwillige Feuerwehr eine, wenn auch wahrscheinlich nur kurze, Zeit der Blüte. In der Statistik des Rhein. Provinzial-(Feuerwehr-)Verbandes, aufgestellt aus Anlass des Provinzial-Verbandstages 1904, wird die Gürzenicher Feuerwehr mit 60 Mitgliedern aufgeführt.
Einige Jahre später werden von der Bezirks-Regierung zu Aachen sog. „Normal-Satzungen" für ländliche Feuerwehren aufgestellt, die zu einer Reorganisation des Löschwesens führen. Damit beschäftigt sich auch eine Versammlung der Gürzenicher Feuerwehr. Vielleicht sind es diese Maßnahmen, die den Mitgliederstand im Jahre 1910 auf 30 absinken lassen. Zwar erhält sie im August dieses Jahres noch die Anerkennung des Regierungspräsidenten nach offenbar vollzogener Neuordnung, aber die Anzeichen eines Siechtums sind unübersehbar.

So sind die Gürzenicher (neben wenigen anderen Wehren) nicht an der Gründung des Kreisfeuerwehr-Verbandes im Oktober 1910 beteiligt, einer für das gesamte Lösch- und Rettungswesen im Kreis Düren höchst bedeutsamen Maßnahme. Bestätigt wird diese Annahme auch durch einen Zeitungsbericht vom 21.8.1911: „Gürzenich, 21. Aug. Gestern abends kurz nach 7 Uhr entstand aus unbekannter Ursache in den Oekonomiegebäuden des Hrn. Christ. Weisweiler hier Feuer, durch welches die mit Frucht gefüllten Scheunen sowie sämtliche Stallungen und Scheune und Stallungen des Kleinhändlers Jos. Rohe vernichtet wurden. Die gerade vom Kreisverbandsfeste in Drove heimkehrende Feuerwehr von Hastenrath leistete mit der Mariaweiler Feuerwehr tatkräftige Hülfe. Sie retteten die Wohnhäuser; auch das zahlreiche Vieh konnte in Sicherheit gebracht werden. Später erschien auch die Rölsdorfer Feuerwehr auf der Brandstätte, sie brauchte aber nicht mehr in Tätigkeit zu treten, Gegen 10 Uhr war die große Gefahr des weiteren Umsichgreifens des Brandes beseitigt. Bemerkt sei hierbei, dass in Gürzenich selbst es formell noch eine Feuerwehr gibt, aber tatsächlich besteht sie schon seit längerer Zeit nicht mehr; Geräte und Uniformen sind allerdings noch vorhanden. Der gestrige sehr gefährliche Brand bildete einen beredten Beweis für das, was gestern auf dem Kreis-Feuerwehrtag in Drove bezüglich der Notwendigkeit freiw. Feuerwehren gesagt worden ist; hoffentlich trägt er dazu bei, dass nun bald auch die Gürzenicher Wehr wieder neu ersteht." Die Dürener Zeitung formulierte noch drastischer: „Auch fehlt es hier an einer gut organisierten Feuerwehr, trotzdem Uniformen und Ausrüstungsgegenstände vorhanden sind. Die hiesige, vor einigen Jahren gegründete Wehr ist eingegangen." Wie schmerzlich eine gut ausgerüstete und ausgebildete Wehr vermisst wurde, lässt sich einem zwei Tage später erschienenen Nachtrag zu diesem Bericht entnehmen, der in Bezug auf den Ablauf der Löscharbeiten schreibt: „Dass die beiden Wehren [aus Hastenrath und Mariaweiler] bei ihrem Eintreffen tüchtig mit gearbeitet, sei gern und dankbar anerkannt, es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass vor allem auch die Nachbarschaft und diejenigen, welche in nächster Nähe waren, mitgeholfen haben und dass das gesamte Vieh sowie die Wohnhäuser nicht ohne deren tatkräftiges Eingreifen hätten gerettet werden können. Daher gebührt ihnen in erster Linie Dank, zumal sie das Vieh noch aus einem Stalle heraus holten, in dem schon die Flammen ihre Verheerung begonnen hatten."

 

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Die Freiwillige Feuerwehr Gürzenich bei einem Ausmarsch im Jahre 1911

 

Auf eine weitere interessante Tatsache macht uns der Bericht der Dürener Zeitung aufmerksam: „Die Löscharbeiten wurden dadurch sehr erschwert, dass die Wasserleitung, welche bekanntlich von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens gesperrt ist, beim Ausbruch des Brandes kein Wasser lieferte, und es eine halbe Stunde dauerte, ehe dieselbe mit Erfolg benutzt werden konnte."

Warum die erst wenige Monate vorher fertig gestellte Wasserleitung für die Hälfte des Tages gesperrt war, wird leider nicht mitgeteilt. Dabei war ihre Bedeutung gerade im Brandfalle noch im Februar 1911 betont worden: „Gürzenich, 15. Febr. Die Anlage der Wasserleitung geht ihrer Vollendung entgegen. Die Legung des Hauptrohres ist bis auf eine kurze Strecke beendet. Wie verlautet, gedenkt man mit den Hausanschlüssen bis Ende März fertig zu sein, so dass die Wasserversorgung durch die Leitung mit April beginnen soll. Gestern wurden mehrere Hydranten auf ihre Leistungsfähigkeit für Feuerlöschzwecke probiert. Sie entsandten mächtige Wasserstrahlen." in früheren Zeiten wurde das Löschwasser meist dem Dorfbach entnommen - wenn dieser denn genügend Wasser führte.
Der feuerwehrlose Zustand wurde im Dorf ganz offensichtlich als unhaltbar angesehen. Nicht erst der Brand bei Weisweiler machte deutlich, wie dringend notwendig eine solche Einrichtung war. So fand denn auch wenige Tage nach diesem Ereignis, am Sonntag, dem 30. August, im Lokale Fr. Louven eine Versammlung „zwecks Wiederbegründung einer freiwilligen Feuerwehr" statt, „in welcher sich eine Anzahl junger Leute anmeldeten".

 

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Einer kurzen Protokollnotiz aus dem Dezember 1912 ist zu entnehmen, dass Peter Stüttgen zum 1. Brandmeister wiedergewählt wurde, II. Brandmeister wurde anstelle von Welsch Wilhelm Engelmann. „Es wurden", so sagt die Notiz weiter, „36 Mann in der Wehr aufgenommen". Die Truppe funktionierte wieder, was sich auch daran zeigt, dass Gürzenich nun auch auf der Vertreter-Versammlung des Kreisfeuerwehr-Verbandes im Juni 1912 vertreten ist. Auch die „zahlreiche" Beteiligung am Kreisfeuerwehrverbandsfest am 29. September 1912 in Düren wird auf einer Versammlung beschlossen.
Die für sie positive Entwicklung sucht die Gemeinde durch Gewährung eines jährlichen Zuschusses von 110 Mark zu stabilisieren.

 

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Das alte Birgeler Wasserwerk - zuständig auch für die Versorgung von Gürzenich.

 

An der Vertreterversammlung des Kreisfeuerwehr-Verbandes im April 1913 nehmen die Gürzenicher sogar mit 2 Delegierten teil, Indiz für eine gewachsene Stärke. Im Oktober konnte die Wehr sogar eine öffentliche Schlußübung am Steigerhäuse abhalten. Den Steigerturm aus Holz hatte man selbst erbaut, er befand sich auf einer Wiese gegenüber der heutigen Wirtschaft Engelmann. Anschließend war Tanz im Fuchs'schen Saale.

Das Jahr 1914 ist aus Gürzenicher Sicht durch zwei ganz unterschiedliche Ereignisse geprägt. Am Samstag, dem 23. Mai, gab es gegen 11.30 Uhr morgens in der „Pulvermühle" genannten Dürener Schießwollfabrik an der Aachener [heute: Valencienner] Straße zwei gewaltige Detonationen, die acht Tote und zahlreiche Verletzte forderten und großen Sachschaden anrichteten. „Zur Hülfeleistung waren ... in kürzester Zeit die Feuerwehren von Gürzenich, Rölsdorf und Düren, die Dürener Sanitätskolonne und die Geistlichkeit erschienen. ... die mit bewundernswertem Opfermut vorgingen, sobald es nur irgendwie möglich war. Es erfolgten nämlich anfangs noch einige kleinere Explosionen, zudem machten die Säuredämpfe den Aufenthalt an der Unglücksstätte fast unmöglich."

Das zweite Ereignis, mit noch weiter reichenden Konsequenzen als dieses Unglück, war der Beginn des Ersten Weltkrieges. Was aus deutscher Sicht so euphorisch und siegessicher begann, wuchs sich innerhalb von vier Jahren zur ersten großen Katastrophe dieses Jahrhunderts aus. Auch die Mitglieder der Gürzenicher Freiwilligen Feuerwehr waren davon betroffen, sie mussten einrücken und an die Front oder anderen militärischen Dienst leisten. Infolgedessen war natürlich an einen geordneten Löschdienst nicht zu denken, die Bürger mussten sich wieder, wie in früheren Zeiten, weitgehend selber helfen, dazu noch unter ganz besonderen Bedingungen: „Wie wir hören", heißt es in einer Zeitungsnotiz vom 15.8.1916, „sind die Landwirtschaftskammern soeben von zuständiger Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass bei unseren Feinden die Absicht bestehen soll, unsere Ernte durch Abwerfen von Brandbomben zu vernichten. Die Landwirte sollen durch die Kammern auf diese Gefahr mit dem Hinweis aufmerksam gemacht werden, dass solche Brände lediglich durch Bewerfen mit Erde und Sand erstickt werden können."